Veröffentlicht Montag, 06.05.2019 von Dr. med. Christian Gersch
Dr. Gersch ist niedergelassener Arzt in Kaiserslautern
die Zeitung New York Times beschreibt in einem Artikel, wie der direkte zwischenmenschliche Kontakt
immer mehr ein Luxusgut wird. Sobald sich eine Aufgabe auf einen Bildschirm, an eine Maschine auslagern lässt, dann wird dies aus wirtschaftlichen Gründen zunehmen. Die Menschen werden mehr und mehr Zeit alleine und vor Bildschirmen verbringen müssen.
In den 80er- und auch noch in den 90er-Jahren waren Computer ein Luxusgut. Mittlerweile müssen wir uns durch immer mehr Telefoncomputer wählen und durch Hilfethemen auf Websites klicken, um Kundendienste zu kontaktieren. Bei den Superreichen stattdessen entsteht zunehmend der Trend, auf Bildschirme zu verzichten.
Der Artikel beschreibt, wie Pager und Mobiltelefone früher Statussymbole waren. Heute ist es ein Zeichen von Freiheit und Reichtum, wenn Sie in Ihrem Leben nicht immer erreichbar sind.
Vor ein paar Wochen schrieb ich Ihnen davon, wie Sie durch das Ausschalten von E-Mail-, Facebook- und Whatsapp-Benachrichtigungen sich zumindest ein wenig von diesem Luxus zurückholen können, wie Sie so Ihren Stresspegel senken können.
Aber was ist denn mit dem verbleibenden, zwischenmenschlichen Kontakt? Wenn dieser nur oberflächlich ist, dann ist er auch nicht viel wert!
Was mich schon immer gestört hat, war, was für ein Luxusgut eine gute fachliche Meinung eines Experten war. Sie warten mitunter recht lange im Wartezimmer eines Arztes, sprechen dann miteinander und bekommen Standardantworten, die wahrscheinlich viele Patienten genauso hören.
Manchmal können solche Standards prima sein. Will ich einen akuten Infekt abgeklärt haben, dann sind verlässliche Standards (bitte ggf. auch mit Labortests) das Beste.
Ähnlich verhält es sich mit Seminaren. Natürlich soll ein gutes Seminar für Ärzte auch die Grundlagen verständlich vermitteln. Die Standardtherapie darstellen. Aber dann nutze ich immer die Gelegenheit und stelle den Dozenten die Fragen, die mich wirklich beschäftigen. Die Dinge, zu denen sich meine Bücher und die Pubmed-Artikel ausschweigen.
Verständnisfragen bekomme ich oft problemlos beantwortet. Aber die Antworten auf Spezialthemen, die echte menschliche Zuwendung, die ist auch hier ein Luxusgut. Wie oft wurde ich schon abgespeist mit Antworten wie »Ernährungstherapie ist hier nicht relevant«, »darüber weiß ich nun auch nichts genaues« oder mit »das ist doch jetzt schon sehr biochemisch und im Details gedacht«, gerne verbunden mit dem Rat: »Konzentrieren Sie sich doch mehr auf die Praxis.«
Wenn ich zu einem Arzt gehe, dann will ich, dass sich dieser Zeit nimmt für meine ganz spezifischen Fragen. Dass er zugibt, nicht alles zu wissen, aber verspricht, nachzulesen. Der sich für mich auf die Suche macht, Antworten zu finden. Genau solch ein Arzt will ich für meine Patienten sein. Keine 5-Minuten Termine, keine Standardantworten auf individuelle Fragen.