Weniger Stress haben, das ist das Ziel vieler Menschen. In meiner Praxis führe ich auch gezielt Untersuchungen durch, um Stresslevel zu quantifizieren, genauso wie ich oft spezifische stresslösende Maßnahmen meinen Patientinnen und Patienten empfehle.
Aber wie Sie wissen interessiert mich oft mehr die Ursache eines Problems als die »Behandlung« seiner Symptome.
Eine ganz typische Ursache für Stress sind Bildschirme und das, was wir darauf sehen:
Eine Studie aus dem Jahr 2014 zeigt, dass das Absenden einer emotional bewegen E-Mail mit einem Smartphone - und das Warten auf die Antwort darauf - zu einer »fight or flight«-Situation des autonomen Nervensystems führt. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine angenehme oder unangenehme Emotion handelte.
Dazu passt eine andere Studie, die zeigt, dass Jugendliche, die abends noch ihr Smartphone verwenden (und dabei wahrscheinlich emotional bewegende Dinge lesen und schrieben) eine höhere Herzfrequenz und eine geringe Aktivierung des autonomen Nervensystems aufwiesen. Auch sie hatten Stress.
Wenn Sie bedenken, wie viel und wie häufig wir alle mit Bildschirmen zu tun haben – selbst wenn der Effekt nur ein kleiner ist, er hat Auswirkungen auf unser Leben. Unser Nervensystem ist für das optimale Überleben in der Welt der großen ostafrikanischen Seen gemacht, dort, wo unser menschliches Leben entstanden ist. Damals auftretende »Gefahren« sind in der Regel auch emotional gefärbt (Angst vor dem Löwen, Freude über potentielle Beute). Auf alle solche »Gefahren« müssen wir sofort und mit Fokus reagieren. Bekommen wir eine E-Mail- oder Facebook-Benachrichtigung, warten wir auf die Antwort auf eine Nachricht – es löst die gleiche Stresssituation in unserem Körper aus wie damals ein wildes Tier.
OK - aber was soll die Konsequenz daraus sein? Zunächst ist es gut, wenn man potentielle Quellen von Stress überhaupt als solche identifizieren kann. Uns muss bewusst sein, dass wir den Großteil eines modernen Tages in stressiger Anspannung verbringen! Ihre Atemfrequenz ist ein sehr guter Marker für die Anspannung Ihres Körpers (wie auch umgekehrt für die Entspannung). Idealerweise sollte sie bei unter 12 Atemzügen in der Minute liegen. Versuchen Sie, ein einem wirklich ruhigen Moment zu zählen, wie häufig Sie in einer Minute atmen. Dann warten Sie, bis Sie das nächste Mal etwas Mitnehmendes auf einem Bildschirm - dem Fernsehen, Ihrem Handy, einem Computer - sehen, schreiben oder lesen und messen Sie erneut Ihre Atemfrequenz. Sie wird jetzt gestiegen sein. Wenn es nicht gelingt, eine erhöhte Atemfrequenz selbst zu bemerken, dann kann es manchmal auch hilfreich sein, ein kleines Gerät (»Spire« Atemtracker) zu tragen, das einen darauf aufmerksam macht, wenn man zu hektisch beginnt zu atmen.
Eine sehr gute Strategie im Stressmanagement ist es, anhand der beschleunigten Atmung die Situationen zu »bemerken«, in denen Sie gestresst zu sein scheinen.
Was können Sie noch tun? Versuchen Sie, »aufregende« Situationen mit Bildschirmen zu vermeiden, indem Sie Benachrichtigungsoptionen auf ein Minimum reduzieren. Ich habe beispielsweise die E-Mail-Benachrichtigung meines Smartphones deaktiviert. Ausschließlich für einige wichtige Patientennachrichten bekomme ich direkt eine Benachrichtigung. Ansonsten nehme ich mir gezielt 1-2 Mal am Tag Zeit, meine E-Mails zu lesen. Und zwar dann, wenn ich auch wirklich die Zeit habe, sie direkt zu beantworten. Immer wiederkehrende Störungen meiner Aufmerksamkeit durch Nachrichtentöne vermeide ich so. Social Media verwende ich nie als App-Version, die mir Benachrichtigungen pushen kann, sondern ausschließlich als Websites, die ich gezielt aufsuchen kann - oder eben nicht.
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